Wir glauben eine gute Vorstellung davon zu haben, wie Einsamkeit aussieht und setzen das Gefühl oft mit dem sehr definierbaren Konzept des Alleinseins gleich. Doch Einsamkeit ist ein absolut subjektives Phänomen, das nicht von außen beurteilt werden kann.
In der Encyclopedia of Mental Health (1998) definieren Perlman und Peplau Einsamkeit als „das subjektive psychologische Unbehagen, das Menschen empfinden, wenn ihr Netz sozialer Beziehungen entweder qualitativ oder quantitativ deutlich unzureichend ist.“
Der Zustand des Alleinseins, bzw. Zusammenseins sagt nichts über das Gefühl von Einsamkeit aus. Vielmehr kann Einsamkeit immer dann auftreten, wenn eine Person sich durch ihre sozialen Beziehungen nicht erfüllt fühlt. Auch jemand, der*die 100 großartige Familienmitglieder und Freund*innen hat, kann sich einsam fühlen, wenn er*sie sich nach jemandem sehnt, den er*sie nicht hat.
Die erste Dimension der komplexen Emotion Einsamkeit bezieht sich darauf, dass du dich nach deinem geliebten Menschen sehnst und eine Leere in dir spürst, die von niemand anderem ausgefüllt werden kann. Vielleicht war dieser Mensch einer der wenigen, von dem du dich wirklich verstanden gefühlt hast.
Die zweite Dimension der Einsamkeit bezieht sich darauf, dass du dich physisch einsam fühlst. Durch den Todesfall ist deine Welt zerbrochen. Vielleicht hast du dich aus deinem sozialen und beruflichen Umfeld zurückgezogen. Vielleicht meiden dich Menschen aus deinem Umfeld, aus Angst etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Oder deine Trauer triggert in irgendeiner Form deren eigene Trauererfahrungen, weshalb sie dir aus dem Weg gehen.
Lasse dich darauf ein, dass die Trauer dein Adressbuch neu schreiben wird. Manchmal sind die Menschen, von denen du dachtest, dass sie für dich da sein würden, eine große Enttäuschung. Aber Menschen, von denen du es nicht erwartet hättest, oder Fremde können zu deinen wichtigsten Unterstützer*innen werden.
Die dritte Dimension der Einsamkeit bezieht sich auf die geistige Einsamkeit, eine der häufigsten Ursachen für trauerbedingte Einsamkeit. Inmitten der besten Gesellschaft können wir uns extrem einsam und alleine fühlen, wenn wir uns nicht verstanden bzw. von den Erwartungen oder Wünschen anderer eingeengt fühlen.
Wenn du dich unverstanden und alleine fühlst, kann es hilfreich sein, Kontakt mit Menschen herzustellen, die eine ähnliche Erfahrung durchlebt haben, bzw. gerade durchleben, wie du.
Eine weitere Dimension der Einsamkeit entsteht durch aberkannte bzw. unerwünschte Trauer. Wenn Verluste nicht anerkannt oder gesellschaftlich wahrnehmbar sind und deshalb auch nicht offen gewürdigt oder betrauert werden, führt das häufig dazu, dass sich Trauernde mit ihren Emotionen allein gelassen fühlen.
Beispiele dafür sind der*die hinterbliebene Geliebte aus einer verborgenen Affäre, eine geheime homosexuelle Beziehung oder frühe Fehlgeburten bzw. Schwangerschaftsabbrüche.
Wenn du von aberkannter bzw. unerwünschter Trauer betroffen bist, solltest du dir unbedingt geschützte Räume für deine Trauer suchen. Du kannst zum Beispiel Angebote außerhalb deines Bekanntenkreises wahrnehmen wie Selbsthilfegruppen, therapeutische Unterstützung nutzen oder alte Freundschaften wieder aufnehmen.
Dein Gefühl der Einsamkeit mag dir vielleicht unvermeidlich, unlösbar und extrem schmerzhaft erscheinen. Doch erinnere dich, dass jede Emotion eine wichtige Funktion erfüllt. Lasse dich von deiner Einsamkeit motivieren, dich in gute, ggf. neue Gesellschaft zu begeben.